Beginnen wir mit einer Definition dieser Manuskripte und ihrer Bedeutung, ausgehend von einem Artikel auf Wikipedia in verschiedenen Sprachen:
Als «Manuskripte von Sanaa» bezeichnet man eine Sammlung von Manuskripten und Fragmenten des Korans, insgesamt etwa 4.500 Manuskripte, die in Kufi- und Hijazi-Schrift sowie anderen unpunktierten Schriftarten geschrieben wurden. Es handelt sich um die ältesten Koranmanuskripte und sie stammen aus den ersten Jahrhunderten des Islam. Sie wurden 1972 unter dem Dach der Großen Moschee in der Altstadt von Sana’a gefunden. Der sichtbare Text der Manuskripte ist mit dem heutigen Koran, dem sogenannten « Uthmani-Koran », identisch, während der untere Text (der verblasste Hintergrund, der nicht sichtbar ist) zahlreiche Unterschiede zum Uthmani-Koran enthält.
Die Restaurierung und Instandhaltung dieser Manuskripte wurde von Deutschland finanziert. Das Projekt kostete 2,2 Millionen D-Mark und lief von 1981 bis 1996. Das Projekt wurde bis 1985 von Professor Gerd R. Puin von der Universität des Saarlandes geleitet. Hans-Caspar Graf von Bothmer (der als Assistent am Institut für Kunstgeschichte der Universität des Saarlandes arbeitete) erstellte 1997 einen Mikrofilm mit 35.000 Fotos, wovon er eine Kopie im Handschriftenhaus von Sanaa hinterließ und eine weitere Kopie nach Deutschland brachte. Die UNESCO hat eine Disc mit nur 651 Fotos veröffentlicht. Doch was ist mit dem gesamten Mikrofilm, den Von Bothmer mit nach Deutschland gebracht hat? Über diesen Mikrofilm spricht niemand und niemand weiß, was mit ihm passiert. Ich hatte an Professor Puin geschrieben, um mich nach seinem Verbleib zu erkundigen, doch meine Nachfrage blieb unbeantwortet.
Also habe ich meinen Kontakt zu einem vertrauenswürdigen Professor an der Universität des Saarlandes genutzt, dessen Namen ich nicht nennen möchte, um ihm Fragen zu diesem Mikrofilm zu stellen. Nachfolgend gebe den wesentlichen Inhalt des Gesprächs wieder, das ich mit ihm geführt habe:
Sami Aldeeb: Was ist mit dem Mikrofilm der Manuskripte von Sana’a geschehen?
Der Professor: Leider hat ihn einer meiner Kollegen (Hans-Caspar Graf von Bothmer) mitgenommen und uns den Zugang dazu verweigert. Und das ist ein Skandal!
Sami Aldeeb: Und wo ist dieser Mikrofilm jetzt?
Der Professor: Ich will Ihnen erzählen, was passiert ist. Ich fragte Professor Puin einmal: « Wie ist das Wort Koran in den Manuskripten von Sana’a geschrieben? » Er antwortete: « So wie in der Kairoer Ausgabe ». Ich fragte ihn: « Haben Sie einen Mikrofilm von diesen Manuskripten gemacht? » Er verneinte. Das verwunderte mich und ich fragte ihn: « Was haben Sie vier Jahre lang in Sana’a gemacht? Haben Sie Papiere geklebt? » Er antwortete: « Ja, das ist alles, was wir getan haben. » Ich suggerierte ihm, das deutsche Außenministerium, das das Projekt finanziert hatte, zu kontaktieren, damit es noch einen Mikrofilm der Manuskripte finanziere. Die Antwort vom Ministerium war, dass das Projekt abgeschlossen sei und dass kein Geld mehr übrigbleibe. Darauf drängte ich ihn, noch einmal an das Ministerium zu schreiben, damit es 50 Tausend Mark für die wissenschaftliche Forschung freigebe. Das Ministerium stimmte diesem Betrag zu, und Hans-Caspar Graf Von Bothmer ging los, um den Mikrofilm zu erstellen. Einmal wollte ich überprüfen, wie ein koranischer Satz in diesen Manuskripten geschrieben ist. Er zeigte mir etwa 15 Fotos. Einige dieser Fotos waren bei einer Vorlesung an der Universität ausgestellt. Nachdem Von Bothmer in den Ruhestand getreten war, nahm er den Mikrofilm mit. Ich stellte mich dagegen, aber Professor Karl-Heinz Ohlig entgegnete mir: « Wir wollen keinen Skandal lostreten. Es ist besser, wenn wir schweigen ». Das überraschte mich. Warum sollte man schweigen? Professor Puin nahm Von Bothmer mit dem Argument in Schutz, dass dieser ja den Mikrofilm erstellt habe. Ich wandte ein: « Wer aber hat ihn finanziert? Der Mikrofilm, gehört der Universität. Wie kann er ihn mit nach Hause nehmen? » Aber da war nichts zu machen. Sie nahmen ihn in Schutz und haben uns zum Schweigen gebracht. Das ist ein Skandal. Ich musste zum Rektor der Universität gehen, weil der dafür verantwortlich ist. Professor Ohlig erzählte mir, dass Von Bothmer bei der Universitätsbibliothek gewesen war, welche ihn fragte, was mit diesem Mikrofilm zu tun sei, da er im Bibliothekskatalog nicht aufgeführt war. Von Bothmer habe den Mikrofilm daraufhin mit nach Hause genommen. Ich wandte ein: « Was hat die Bibliothek damit zu tun? Das ist ein Mikrofilm, welcher der Universität gehört. Wie kann er ihn zu sich nach Hause nehmen? » Aber sie verteidigten ihn und haben uns zum Schweigen gebracht.
Sami Aldeeb: Der Mikrofilm wird uns also vorenthalten? Gibt es eine Möglichkeit, ihn von demjenigen zurückzubekommen, der ihn mitgenommen hat?
Der Professor: Natürlich. Man müsste ihn verklagen. Oder dass der Rektor der Universität ihm einen Brief schreibt und die Rückgabe des Mikrofilms verlangt.
Sami Aldeeb: Und was ist jetzt?
Der Professor: Wir haben nichts getan. Wir haben einfach geschwiegen. Im Grunde benötige ich die Manuskripte nicht. Ich begnüge mich mit den Manuskripten, die mir von https://corpuscoranicum.de zur Verfügung gestellt wurden. Ich bin nicht auf die Manuskripte von Sana’a angewiesen.
Sami Aldeeb: Aber dieser Mikrofilm ist ein Vermächtnis für die Forschung.
Der Professor: Es ist sicher, dass Von Bothmer diesen Mikrofilm hat. Er wüsste im Übrigen nichts damit anzufangen. Er kann kein Arabisch und ist kein Spezialist der Koran-Forschung, er ist es vielmehr im Gebiet der Kunstgeschichte.
Sami Aldeeb: Wie können wir den Mikrofilm zurückbekommen, damit er nicht der Welt verloren geht?
Der Professor: Ich bat den Kulturattaché der Universität, das Außenministerium zu kontaktieren, um herauszufinden, an wen es die Finanzierung ausgerichtet hat. Das Ministerium antwortete ihm, die gesamte Korrespondenz sei an den Rektor der Universität adressiert gewesen. Daher sei die Universität dafür verantwortlich. Es handelt sich um Diebstahl! Wir haben jedoch geschwiegen, um keinen Skandal zu machen. Sie müssten an den Rektor der Universität schreiben, der keine Kenntnis von diesem Mikrofilm hat. Professor Ohlig war es, der uns zum Schweigen brachte und mir sagte, wenn ich ein Manuskript bräuchte, könne ich ja Professor Puin, welcher mit Von Bothmer befreundet ist, anrufen und er würde es mir bringen. Als ich Puin nach einem Manuskript fragte, antwortete mir dieser jedoch, dass Von Bothmer eine Konsultation nicht zulassen würde, denn es sei sein Eigentum.
Sami Aldeeb: Aber was kann man tun?
Der Professor: Man muss den Rektor der Universität kontaktieren, der dafür verantwortlich ist, da die Finanzierung an die Universität ausgerichtet wurde. Der Rektor der Universität ist über diesen Fall nicht informiert. Es handelt sich um Prof. Dr. Manfred Schmitt [email protected]
Sami Aldeeb: Aber was macht die UNESCO?
Der Professor: Niemand weiß, was da gelaufen ist. Es ist ein Geheimnis. Sie sollten dem Rektor der Universität schreiben und ihm mitteilen, dass Von Bothmer ein Angestellter der Universität war und den Mikrofilm mitgenommen hat. Sie sollten auch an die UNESCO schreiben. Wir hielten eine Sitzung im Inara-Institut (http://inarah.net) ab, und ich setzte mich dafür ein, dass wir die Rückgabe des Mikrofilms verlangen sollten. Professor Puin, der bei der Sitzung auch zugegen war, verteidigte Von Bothmer jedoch, indem er sagte, dass er den Mikrofilm gemacht habe. Dem hielt ich entgegen, dass er dies mit Geld, das der Universität dafür gegeben wurde, und im Auftrag der Universität getan habe. Der Mikrofilm gehöre nicht ihm. Professor Ohlig war anwesend und sagte, dass wir keine Probleme schaffen wollten und besser stille halten sollen. Es ist niemandem erlaubt, über diesen Mikrofilm zu sprechen.
Wie soll es weitergehen?
Es müssen konkrete Schritte unternommen werden, um den Mikrofilm zu retten, damit er für alle zugänglich wird. Dieses Verhalten ist doch höchst sonderbar für eine deutsche Universität.
Ochettaz 17
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