«Abu Ramadan sagt, was die Lehre lehrt»

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Interview: Tobias Graden

Der Nidauer Imam Abu Ramadan verkünde schlicht, was in den Schriften stehe, sagt Islamkenner David Zaugg. Der frühere Leiter eines Asyl-Durchgangszentrums fordert: «Wir brauchen eine Islamdebatte.»

David Zaugg, der Nidauer Imam Abu Ramadan wirkt weiter als so genannter Hassprediger in der Bieler Ar’Rahman-Moschee. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie diese Meldung gelesen haben?

David Zaugg: Wie alle habe ich gedacht: «Schon wieder! Wieso wird das nicht bald gestoppt?» Ich weiss aber, dass dies schwieriger ist, als man es in diesem Fall wohl gerne hätte. Eigentlich wundert es mich wenig.

Warum?

Abu Ramadan sagt einfach das, was die Lehre lehrt. Das ist sein Beruf. Imame sind Bewahrer und Verbreiter dieser Lehre. Er tut das einfach mit besonders klaren Worten.

Abu Ramadan soll im Januar beispielsweise gesagt haben, «Ungläubige» seien «Tote», mit denen zu reden sich nicht lohne. Muss dies die hiesige Mehrheitsgesellschaft beunruhigen?

Dass Ungläubige klar in die Hölle kommen, gehört leider sozusagen zum Katechismus im Islam, und man weiss auch ganz genau, mit welchen Qualen sie dort rechnen müssen und wie lange – nämlich ewig. So steht zum Beispiel in Sure 9, Vers 113: «Der Prophet und diejenigen, die glauben, dürfen (Gott) nicht für die Heiden um Vergebung bitten – auch (nicht) wenn es Verwandte (von ihnen) sein sollten –, nachdem ihnen (endgültig) klar geworden ist, dass sie (wegen ihres hartnäckigen Unglaubens) Insassen des Höllenbrandes sein werden.» Offene Muslime, die das auch nicht gerne hören oder abschwächen möchten, können höchstens einwenden, man wisse ja gar nicht genau, wer mit den «Ungläubigen» gemeint sei, dies zu bestimmen sei Sache Gottes. Nach der Lehre ist aber klar: Nicht-Muslime gehen in die Hölle. Und Fürbitte für «Ungläubige» ist nun mal verboten, das weiss nicht nur jeder Imam, sondern praktisch jeder gläubige Muslim.

Abu Ramadan soll auch gesagt haben, die gerechte Strafe bei Ehebruch sei die Steinigung – dabei steht dies so offenbar gar nicht im Koran. Wie also kommt er zu einer solchen Aussage?

Viele Themen und Fragen respektive die Antworten darauf kommen im Koran mehrmals vor, mitunter also einmal so und einmal anders. Hier muss man den islamischen Umgang mit den Widersprüchen kennen, die selbstverständlich auch der Koran enthält. Die klassischen Juristen haben dazu die «Theorie der Abrogation» zu Hilfe genommen. Diese besagt, dass ein später herabgesandter Koranvers den vorherigen aufhebt und ersetzt, wenn er ihm widerspricht. Um eine solche Abrogation dürfte es sich handeln, wenn Abu Ramadan Unzüchtige gesteinigt statt «nur» ausgepeitscht sehen will. Meines Wissens sieht die Scharia das Steinigen bei Ehebruch vor und bei unverheirateten «Unzüchtlern» das Auspeitschen.

Ist Abu Ramadan ein Einzelfall mit seinen fragwürdigen Predigten?

Dieser Mann übt seinen Beruf aus und verkündet die Lehre. Er sagt, was in den Schriften steht. Ich bin sicher, dass viel zu wenig bekannt ist, dass Gebete mit diesem Inhalt am Freitag eher Normalität als Ausnahme sind, aber je nach Temperament und sprachlicher Geschmeidigkeit des Imams halt mehr oder weniger offen und verständlich vorgetragen werden.

Wie ist damit umzugehen?

Man muss sich informieren. Behörden und Juristen sollten wissen, was der Islam ist und wie er funktioniert. In Aufklärungsbroschüren werden uns viele Halbwahrheiten serviert. Islamische Grundsätze haben für die gläubigen Muslime sozusagen Gesetzescharakter. Damit wird klar, dass sie zu einem guten Teil nicht mit den hiesigen Werten vereinbar sind. Es ist wie im Strassenverkehr: Man kann nicht gleichzeitig links und rechts fahren. Wir müssen also klar aufzeigen, welche Regeln hier gelten und deren Einhaltung verlangen.

Abu Ramadan hält seine Predigten in arabischer Sprache, sie können also nur mit grösserem Übersetzungsaufwand verstanden werden.

Man müsste Offenheit herstellen können. Die Bevölkerung sollte wissen, was gepredigt wird respektive was die Lehre des Islams ist.

Es gibt doch nicht einfach den Islam.

Dieses Argument hört man oft. Manche versteigen sich gar zur Aussage, es gebe so viel «Islame», wie es Muslime gibt. Doch das ist Unsinn. Denn im Kern ist die islamische Lehre unmissverständlich. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Wie mehr Offenheit hergestellt werden könnte, dafür habe ich auch kein schubladenfertiges Rezept. Viele heikle Punkte der Lehre werden zudem bereits im Kinderunterricht gelehrt und in den Predigten später vorausgesetzt. Mit der Zeit beherrschen Imame so den gleichzeitigen Diskurs zu den Rechtgläubigen wie zu uns Gutgläubigen.

Abu Ramadan ist vom hiesigen System mit Sozialhilfegeld alimentiert worden, gleichzeitig kämpft er in den Predigten gegen diese System an – ein Widerspruch. Wie lässt sich eine solche Haltung aus seiner Sicht begründen?

Daran stosse ich mich auch. Aber es findet nun mal so viel Sozialhilfebetrug statt, wie wir zulassen. Abu Ramadan könnte seine Haltung in der Auffassung des Islams zur «Dschizya» begründen. Das ist eine Art «Falschgläubigensteuer» für die Juden und die Christen, die gemäss Lehre den Gläubigen zusteht. Allerdings wäre es an ihm selber, diese Frage zu beantworten.

Abu Ramadan wird meist als «selbsternannter» Imam bezeichnet. Worin gründet für die gläubigen Moscheebesucher seine Autorität?

Ein Imam ist entweder derjenige, der von der Religion am meisten weiss; oder er hat die Ausbildung dazu absolviert. Der Ausdruck «selbsternannt» ist bei uns ein beliebtes abschätziges Attribut. Ich bin jedoch ziemlich sicher, dass Abu Ramadan sich nicht selbst ernannt hat. Er gilt offenkundig als Autorität und wird von vielen Gläubigen respektiert.

Dass Abu Ramadan weiterhin in Biel predigt, begründen die Moscheeverantwortlichen offenbar damit, dass man keinen Ersatz gefunden habe. Herrscht Imam-Mangel in der Schweiz?

Ich denke, dass es eher so ist, dass bestimmte Interessengruppen Imame einer bestimmten Sorte bevorzugen. Und dass sich in den meisten Fällen die «strengen» durchsetzen.

Trotz fragwürdiger Lehren sind den hiesigen Behörden die Hände gebunden, was einerseits das Treiben Abu Ramadans betrifft als auch den Umgang mit der Moschee. Gilt es, Rechtslücken zu schliessen?

Meines Erachtens gilt es zuallererst, Lücken in der Aufklärung über den Islam zu schliessen und dann das bestehende Recht anzuwenden.

Aber es fehlt offensichtlich an der Handhabe, solchen Hasspredigten Einhalt zu gebieten.

Wenn bekannt wäre, was alles sonst noch so gesagt wird und wie das kommt, dann würde man wohl reagieren.

Sind Ihnen weitere Abu Ramadans in der Region bekannt?

Mir persönlich nicht, da ich nicht in die Freitagspredigten gehe. Aber auf Youtube finden sich zuhauf Imame, die ähnliche Inhalte verkünden.

In Diskussionen um die Antirassismus-Strafnorm ist gerade auch von islamkritischer Seite oft das Argument zu hören, das Recht auf freie Meinungsäusserung sei höher zu gewichten als der Schutz vor Hass. Demzufolge müsste man auch Leute wie Abu Ramadan einfach reden lassen.

Es gibt aber das Gesetz und dieses muss angewandt werden. In erster Linie brauchen wir aber eine Islamdebatte, bevor uns diese noch verboten wird.

Mit Verlaub, die wird uns doch nicht verboten, sondern mehr und mehr geführt.

Die Antirassismus-Strafnorm sollte sich mit Rassismus beschäftigen. Wenn immer mehr Dinge unter den Begriff «Rassismus» verfrachtet werden und auch nicht mehr zwischen den Menschen und einer Ideologie unterschieden wird, riskiert man, dass am Ende auch Kritik am Islam oder seinen Auswüchsen verboten wird. Dabei ist diese von innen wie von aussen wünschbar.

Wollen Sie etwa sagen, der Islam sei nicht kompatibel mit einer freiheitlichen, liberalen Gesellschaft?

Es gibt selbstverständlich moderate Muslime wie auch fundamentalistische Muslime. Aber einen moderaten Islam sehe ich nicht, oder höchstens im Ansatz. Dieser hat aber jeweils viel mehr aktive Gegner als Anhänger. Die Schriften selber jedenfalls stützen den Fundamentalismus – bestärkt durch das zentrale Dogma, dass der Koran als das «ungeschaffene», nicht von Menschenhand geschriebene Wort Gottes zu gelten hat. Niemand darf dies anzweifeln. Genau dies wäre überfällig – und solange es nicht erfolgt, ist Ihre Frage mit Nein zu beantworten.

Sie selber sind nicht Islamwissenschaftler, sondern gelernter Schreiner und haben in den letzten Jahren leitende Posten im Asylwesen in der Region bekleidet …

(unterbricht) … damit heimse ich nun sicherlich auch das Attribut «selbsternannt» ein.

Woher rührt Ihr Interesse am Islam und was qualifiziert Sie, sich darüber zu äussern?

Ich war lange auf internationalen Baustellen tätig, was mich aber nicht daran gehindert hat, zwei Jahre lang das ganze Arabisch-Programm der Uni Neuenburg zu besuchen und auch als Auditeur libre einer der aktivsten Studenten zu sein. Die Durchmischung und das Nebeneinander vieler Sprachen und Kulturen haben mir gefallen. Ich habe einige Jahre in islamischen Ländern verbracht – alternierend auf Reisen, in Schulen und auf Baustellen. So habe ich wohl mehr Zeit gehabt, mich solchen Fragen zu widmen, als manch ein gehetzter Feldforscher oder Journalist. Bereits als Teenager mein Interesse geweckt haben der Autor Jean Bosshard mit «La rive d’en face», seinem Roman aus Ägypten,  und der Journalist Ahmed Huber, zu dem ich ein kontroverses Verhältnis hatte.

Ahmed Huber? Er war nicht gerade unumstritten …

So ist es. Er ist etwa vor 45 Jahren im damaligen Kirchenblatt «DerSaemann» prominent zu Wort gekommen. Zehn Jahre später, als ich dann meine eigene Erfahrung mit dieser Kultur gemacht hatte, habe ich ihn mit seinen Aussagen beim Wort genommen und und ihn mit einem Schreiben herausgefordert. Er hatte sofort Interesse an mir jungem Schnösel und hat mich in Neuenburg in meiner Wohnung besucht. In der Folge gab es mehrere Treffen – und auch Streit. Er was damals noch in der SP. Ich habe dann – wie andere auch – dem Journalisten Jürg Frischknecht einen Hinweis gegeben. Nach dessen Porträt von Huber in der «WoZ» hat die SP Huber hinausgeworfen. Ich bin sicher, dass man die Geschichte mit ihm und dem Muslimbruder Yousef Nada irgendwann noch aufarbeiten werden muss, um die Geldflüsse in der Schweiz zu verstehen.

Sie haben in Ihrem Berufsalltag als Asylbetreuer sicherlich viel mit Muslimen zu tun. Geht das mit Ihren pointierten Ansichten über den Islam immer konfliktfrei?

Man muss eine direkte Sprache pflegen und sich getrauen, auch knifflige Themen anzugehen. Oft spüre ich sogar Erleichterung bei den Leuten, wenn man eine heisses Eisen anspricht und zu verstehen gibt, dass man weiss, wovon man redet. Ich habe kürzlich ein Buch des schweizerisch-palästinensischen Juristen und Autors Sami Aldeeb ins Deutsche übersetzt. Darin geht es um einen Rechtsvergleich zwischen den schweizerischen und den muslimischen Normen. Das sind ganz praktische konkrete Themen, bei denen ein grundverschiedener Denkansatz gepflegt wird. Beide Seiten gewinnen, wenn sie über die andere Bescheid wissen, darum spreche ich das auch an und stosse auf Interesse. Dem Imam würde dies auch nützen.

Zur Person
geboren 1958
Schreinerlehre im Emmental, Ausübung des Berufs im Kanton Neuenburg
Einsätze als Bauführer in Jemen und Äthiopien
Sprachkurse in Tunis und Damaskus, Reisen in viele islamische Länder
Zwölf Jahre lang Leiter der Kollektivunterkunft Lyss-Kappelen, derzeit tätig in der KU Biel-Bözingen
Übersetzung verschiedener Sachbücher tg
Info: Sami A. Aldeeb Abu-Sahlieh (Autor), David Zaugg (Übersetzer): «Rechtsvergleich zwischen den schweizerischen und den muslimischen Normen» (Eigenverlag).

 

Interview David Zaugg

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